Die Unterstufe: Klassen 1 - 4

Die von Rudolf Steiner skizzierte Erziehungskunst geht - so wieder Denjean - nicht von einer linearen Entwicklung des Kindes aus. Sie berücksichtigt die Jahrsiebte der kindlichen Biografie, die selbst wiederum nicht linear, sondern zyklisch verlaufen.1) So wirken die leib- und organbildenden Kräfte des ersten Jahrsiebts im ersten Drittel des zweiten Jahrsiebts noch nach, können die Nachahmungskräfte des Kindes für den beginnenden Fremdsprachenerwerb noch genutzt werden, auch wenn nicht der Anschein erweckt werden darf, dass sich der Vorgang des Erwerbs der Muttersprache einfach wiederholen ließe. 

Erhard Dahl2) weist darauf hin, dass die Voraussetzungen für den Zweitsprachenerwerb nun andere sind: 

"Es sind bereits Vorstellungen von Sprache vorhanden, es sind Sprechgewohnheiten entstanden, die nach Übertragung auf andere Sprachen drängen. Auch liegen selbstverständlich an der Muttersprache entstandene geistige und soziale Fähigkeiten beim Kind vor. Der Zweitsprachenerwerb in der Schule ist darüber hinaus kein natürlicher, sondern ein von einer Lehrperson gesteuerter Vorgang. Ihm ist ein großes Maß an Künstlichkeit und eine alles durchziehende didaktische Absicht eigen. Zudem stehen nur wenige Stunden pro Woche für die Begegnung mit den fremden Sprachen zur Verfügung." (S. 21)

Dennoch mache es Sinn, die Hingabe und Nachahmungsfähigkeit der Kinder an dieser Stelle zu nutzen. Denjean nennt als Voraussetzung allerdings, dass die Sprache nicht intellektuell-kognitiv, sondern vom Gemüt aus angesprochen wird, dass sie an die Sinnessphäre angebunden wird (S. 30). Dies gehe allein durch bildhaftes Unterrichten, das die Kinder in eine Erlebniswelt eintauchen lasse.

So wird in den ersten drei Jahren nur mündlich gearbeitet, stehen Lieder, Sprüche, Gedichte, Spiele, Reigen, Dialoge und kleine Szenen im Zentrum des Unterrichts, die es immer wieder zu variieren gilt. Gestik, Mimik, Intonation und Gebärde helfen, die Sprache zu erleben. Sprechen und Bewegung sind eng miteinander verknüpft, einfache Fingerspielen, Arm-und Beinbewegungen bis hin zum Bewegen des ganzen Körpers im Raum unterstützen die Gedächtnisbildung.3)

Im 4. Schuljahr, wenn das Kind sich als Ich von der Welt abzugrenzen beginnt, kommt dann die Einführung in das abstraktere Lesen und Schreiben der Fremdsprache hinzu. Um diesen Übergang weniger krass zu gestalten, beginnt der Lehrer mit Vertrautem aus den vorangegangenen Jahren. 


Zusammenfassung

In der Unterstufe der Waldorfschule geht es vorwiegend um das Erleben und Nachahmen lebendiger, also ganzheitlicher Sprache in ihrer selbstverständlichen, noch nicht bewusst gefassten Richtigkeit. Die Kinder werden auf der Willensebene angesprochen, sie lernen durch lebendiges Tun.





1) Alain Denjean, a.a.O, S. 29-31 und S. 186 ff.

2) Erhard Dahl, Wie lernt man fremde Sprachen?, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1999

3) Vgl. Christoph Jaffke, Fremdsprachenunterricht auf der Primarstufe. Seine Begründung und Praxis in der Waldorfpädagogik, Weinheim 1994

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